Bild-Stabilisator
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Letzte Überarbeitung: 01.06.2013


Eine Faustformel besagt, dass als Belichtungszeit mind. der Kehrwert der Brennweite einzustellen ist (z.B. bei 380 mm mind. 1/380 Sek.), um ein Verwackeln durch den Fotografen zu vermeiden. Das ist auch der Grund dafür, dass gerade bei Teleobjektiven eine große Lichtstärke sinnvoll ist.
Die Faustformel gilt übrigens für die auf KB umgerechnete Brennweite und nicht für die tatsächliche Brennweite bei Tele.

Wer nicht glaubt wie schwierig es ist, mit einem extremen Teleobjektiven ein Motiv (rechtes Bildchen) anzupeilen und die Kamera dabei ruhig zu halten, sollte das mal selbst ausprobieren.



Vergrößern durch AnklickenAber sogar Fotos mit einem 35 mm Weitwinkel-Objektiv kann man verwackeln, wenn eine Belichtungszeit länger als 1/35 Sekunde gewählt wird. 

Besonders die kleinen, leichten Kameras liefern häufig verwackelte Aufnahmen, weil sie am lang ausgestreckten Arm gehalten und deshalb beinah zwangsläufig beim Auslösen nach unten bewegt werden. Eine große, schwere Kamera hält man ganz anders fest. Da ist auch 1/25 unproblematisch.



So sieht dann ein vom Fotografen verwackeltes Bild aus (unteres Bild).
Da nützen einem auch ganz viele MP und ein hervorragendes Objektiv nichts.
 


Noch kritischer wird die Situation dann, wenn bei Aufnahmen in der Dämmerung nur 1/10 Sek. möglich ist. Dann muss man entweder einen Blitz verwenden (und die natürliche Lichtstimmung zerstören --> Hinweis) oder die ISO-Einstellung erhöhen (Rauschen bei den meisten Kameras!), wenn man ein Verwackeln vermeiden will.

Da hilft nur ein Stativ, eine andere feste Unterlage .... oder ein Bildstabilisator.


Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die zittrigen Hände des Fotografen zu kompensieren.

1. OIS
Einige Kompaktkameras haben ein beweglich aufgehängtes Linsenelement, das Bewegungen abfangen kann (Optischer Bild(Image)-Stabilisator = OIS). Nachteil: Dieses (zusätzliche) Element kann die maximal mögliche Auflösung des Objektivs reduzieren.
Für Spiegelreflexkameras gibt es (teure) Spezial-Objektive, die so konstruiert sind.
Bei modernen Handys wird das ganze (kleine) Objektiv beweglich gelagert und gleicht dadurch Bewegungen aus.

2. Beweglicher Sensor
Minolta beschritt 2003 einen anderen Weg. Man hat den Sensor beweglich eingebaut .... was den gleichen Effekt ergibt wie die beweglichen Kameralinsen.
Besonders in Spiegelreflexkameras ist dieser Weg genial. Dadurch wird jedes Tele-Objektiv zum bildstabilisierten Objektiv. Die teuren Spezial-Objektive sind überflüssig.
Nachteile: Um bei der Auslösung die maximal mögliche Auslenkung des Sensors zur Verfügung zu haben, darf er erst dann aktiviert werden. Das kostet Auslöseverzögerung.



3. Serienaufnahmen

Eine originelle - aber nicht immer wirksame - Lösung bietet Nikon: Die Kamera macht mehrere Bilder kurz nacheinander und speichert dann das mit der größten Dateigröße. Unscharfe Bilder enthalten nämlich weniger Details und sind deshalb als JPG-Datei kleiner.

Hinweis: Diesen Trick kann man übrigens mit jeder Kamera, die Serienaufnahmen zulässt, anwenden. Selbst bei rel. langen Belichtungszeiten ist oft nur das erste Bild verwackelt (Auslöse-Bewegung!). Die verwackelten werden dann halt nachträglich manuell gelöscht.
Ich habe mit dieser Methode gute Erfahrungen gemacht.

4. Verrechnen mehrerer Aufnahmen
Manche Kameras machen mehrere  Aufnahmen sehr kurz nacheinander und verrechnen die dann zu einem optimalen Bild.

5. Pseudo-Stabilisator
Manche Hersteller versuchen, eine simple Erhöhung der ISO-Werte als "Stabilisator" zu verkaufen. Dadurch sind kürzere Belichtungszeiten möglich und das reduziert die Gefahr von Verwacklungen. Andererseits bedeutet das aber bei fast allen Kameras eine erschreckende Verschlechterung der Rauschwerte und/oder der Auflösung.
Als "Nebeneffekt" werden zwar so auch Bewegungsunschärfen reduziert, aber das ist nicht die Aufgabe eines Stabilisators. Der soll lediglich - bei unbeweglichen Motiven - die Verwendung längere Belichtungszeiten bei niedrigen (rauscharmen) ISO-Werten ermöglichen.
Bei bewegten Motiven ist ein Stabilisator ohnehin sinnlos.
 


Warnung:
Es gibt aber auch Kameras, deren Stabilisator fast wirkungslos ist. Deshalb sollte man die entspr. Testberichte aufmerksam lesen. Nur wirklich gute Systeme erlauben es, 2 bis max. 4 Stufen längere Belichtungszeiten einzustellen. Andere ergeben nur einen Gewinn von etwas mehr als eine einzige Zeitstufe.
Andererseits sind unverwackelte Urlaubs-Aufnahmen kein Beweis für die Güte des Stabilisators. Bis zur Brennweite von 120 mm genügt 1/125 und Kameras im Automatik-Betrieb wählen fast immer eine kürzere Belichtungszeit, die dann auch ohne Stabilisator ein Verwackeln verhindert.

 

Und noch ein Hinweis:
Ein erfahrener Fotograf mit der richtigen "Auslösetechnik" (Kamera fest in beide Hände, Ausatmen und Auslöser ruckfrei auslösen) wird ohne Stabilisator weniger verwackelte Fotos erzielen als ein Hektiker, der seine kleine Stabilisator-Kamera am ausgestreckten Arm hastig auslöst.
Hilfreich ist auch die Verwendung des (2 Sek.) Selbstauslösers. Dann wird vermieden, dass durch das Drücken des Auslösers das Bild verwackelt wird.
 




Testen des Stabilisators

Ob ein Stabilisator tatsächlich einen positive Einfluss hat, kann nur durch einen aufwendigen Test festgestellt werden. Dazu wird bei Belichtungszeiten getestet, bei denen ein Verwackeln zu erwarten ist. In diese Situation gerät man am ehesten bei Tele-Aufnahmen, da dann rel. kurze Belichtungszeiten notwendig sind und die Optik meist nur eine geringe Lichtstärke aufweist.
Nun gilt es herauszufinden, wie viele Zeitstufen bei der betr. Kamera durch den Stabilisator "eingespart" werden können. Dazu werden jeweils mindestens 10 Fotos mit und ohne Stabilisator aus der Hand aufgenommen. Begonnen wird bei der "notwendigen" Mindest-Belichtungszeit (sh. oben). Dann wird schrittweise die Zeit verlängert.
Bei Kameras, die bei Einschalten des (weitgehend wirkungslosen) Stabilisators gleichzeitig auch die ISO-Vorgabe erhöhen, muss für diesen Test ein fester ISO-Wert vorgegeben werden.
Die Fotos werden anschließend bezüglich ihrer Schärfe beurteilt.

Hier ein simuliertes Beispiel einer Kamera mit 200 mm Tele.

Deutlich ist erkennbar, dass bei dieser Kamera der Stabilisator selbst bei rel. langen Belichtungszeiten noch viele akzeptable Fotos ermöglicht. Aber eine Garantie für scharfe Fotos ist er auch nicht

dPreview.com testet die Wirkung von Stabilisatoren nach einer ähnlichen Methode. Dabei zeigen sich oft sehr große Unterschiede. →Travelzoom-Kameras



Stabilisator ausschalten?

Es gibt gute Gründe, den Stabilisator in bestimmten Situationen abzuschalten.

Da sind z.B. alle Fotos mit kurzen Belichtungszeiten, bei denen ein Stabilisator ohnehin überflüssig ist. Hier kann die durch manche Stabilisatoren bedingte Auslöseverzögerung verhindert werden.
Bei Stativ-Aufnahmen sollte der Stabilisator unbedingt abgeschaltet werden, da manche Systeme bei völlig ruhiger Kamera "überkompensieren" und die Bilder dadurch verwackeln.
"Mitzieh-Fotos" (z.B. Autorennen) sollten ohne Stabilisator gemacht werden bzw. nur mit Objektiven, die einen Stabilisator mit "Panning-Modus" haben
 


Problem "Bewegungsunschärfe"

Eines muss klargestellt werden:
Bewegungsunschärfe des Motivs (bei ruhig gehaltener Kamera!) ist durch den Bildstabilisator nicht zu verhindern.

Bewegungsunschärfe
 

Nur die Bewegungen der Kamera werden durch einen Stabilisator reduziert.
Er wirkt also nur bei bewegungslosen Motiven.

Hier als Beispiel ein Bild, das mit 1/4 Sekunde und Stabilisator aufgenommen wurde. Bewegungslose Bildteile sind - trotz der langen Belichtungszeit - erstaunlich scharf, aber ....

Mehr Infos


Die Alternative zum Stabilisator:

Rauschfreie 400 ISO

Mit einem guten Stabilisator gewinne ich etwa zwei Belichtungsstufen und kann z.B. (selbst mit Tele) mit 1/25 Sek. unverwackelte Tele-Fotos schießen .... wenn sich das Motiv nicht bewegt.
Wenn eine Kamera aber zusätzlich zur Basisempfindlichkeit von 50 ISO auch  noch rauschfreie 400 ISO bietet, könnte ich 1/200 Sek. einstellen.
Dadurch habe ich volle drei Blendenstufen gewonnen. Und ich bin gegen Verwackeln und Bewegungsunschärfe abgesichert. Besonders dann, wenn ich ein lichtstarkes Objektiv habe.

Wer überwiegend mit dem Teleobjektiv Blüten, Kirchtürme und gelangweilt herumstehende Elefanten fotografiert, wird mit 50 ISO (bei entspr. langer Belichtungszeit) + Stabilisator zufrieden sein. Viele meiner Motive pflegen sich aber heftig zu bewegen (Tänzer, Kinder ...). Und da benötige ich kurze Belichtungszeiten. Das geht nicht bei 50 ISO!

Nichts gegen einen Stabilisator, aber im Zweifelsfall sind mir rauschfreie 400 ISO lieber.

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Ich erinnere hier an meinen "Aufruf" in "aktuell" vom 27.5.2005:

Deshalb mein Aufruf an alle Digitalkamera-Käufer:
Bitte Gehirn einschalten!

Fordert nicht nur schicke bunte "Lifestyle-Kameras" (die zwangsläufig rauschige Mini-Sensoren haben).  Lasst euch nicht die "Krücke" Stabilisator aufschwatzen; fordert lieber, dass die Kameras selber laufen können ... mit rauschfreien 400 ISO.
Erfahrungsgemäß bietet die Industrie immer das, was wir Kunden fordern!

 


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