Schärfentiefe
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Letzte Überarbeitung: 01.09.2013

 
Vorab:
Gemeint ist mit Schärfentiefe der Bereich (Tiefe = von ... bis ...) der Schärfe unter bestimmten Bedingungen (Brennweite, Blende, Entfernungseinstellung). Beispiel: Ob man in einem Becken schwimmen kann, hängt von der Wassertiefe ab.

Verwirrenderweise ist in manchen Testberichten von "Tiefen-Unschärfe" die Rede. Damit will man beschreiben, wie unscharf der Hintergrund (die Tiefe) wiedergegeben wird, wenn man auf ein Motiv im Vordergrund scharf gestellt hat, wie stark es also "freigestellt" wird.
Merke: Je kleiner die Schärfentiefe, um so größer die Tiefen-Unschärfe!

 



Haben Digitalkameras mehr Schärfentiefe?

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass alle Digitalkameras grundsätzlich eine extrem große Schärfentiefe haben, dass deshalb von vorne bis hinten alles gleich scharf sei.
Das stimmt so nicht! Natürlich hat bei gleicher Blendenöffnung und gleicher (ungerechneter) Brennweite eine kleine Digitalkamera eine größere Schärfentiefe als z.B. eine 6x6 Kamera. Das hat aber nichts mit "digital" zu tun, sondern hängt ausschließlich von der verwendeten (tatsächlichen) Brennweite der Kameras ab. Auch die gute alte "Spionage-Kamera" Minox (Brennweite 15 mm) hat eine sehr große Schärfentiefe.
Andererseits hat eine Digital-SLR mit KB-Sensor exakt die gleiche (geringe) Schärfentiefe wie eine entsprechende "normale" SLR.


Kaufgrund für Kameras mit KB-Sensor?

Vielfach ist die Möglichkeit zum "Spiel mit der Unschärfe" ein Kaufargument für eine Kamera mit KB- oder zumindest APS-Sensor. Aber bei welchen Motiven wird das dann später bewusst genutzt? Mir fallen nur Portraitfotos ein. Man macht ja mit seiner Kamera nicht nur künstlerisch wertvolle Bilder für Fotowettbewerbe. Bei "normalen" Motiven ärgert man sich dann über eine zu geringe Schärfentiefe wie z.B. im nebenstehenden Bild (1944).

Das passiert z.B. dann, wenn mehrere Personen um einen Tisch sitzen und möglichst alle - trotz unterschiedlicher Entfernungen - scharf sein sollen, aber wegen der Lichtverhältnisse nicht genug abgeblendet werden kann.
Wenn man mit einer Vollformatkamera dieses Motiv - um Bewegungsunschärfe zu vermeiden - mit 1/125 Sek. aufnehmen will, würde man z.B. 1,5 Meter vorgeben und hätte bei Blende 1,4 selbst bei 24mm WW nur einen Schärfentiefe-Bereich von 14 cm. Bei einem 50mm-Objektiv übrigens nur noch 3 (!) cm (bei jeweils 800 ISO).  Da ist die große Schärfentiefe der kleinen Sensoren eindeutig von Vorteil. Z.B. hat die LX7 selbst bei Bl. 1,4 einen Schärfentiefe-Bereich von fast einem Meter.
Selbst wenn man bei der Vollformatkamera auf 4,0 abblendet (das erfordert 6400 ISO), dann erhöht sich der Schärfentiefe-Bereich nur auf 42 cm, beim 50mm Objektiv auf ganze 9 cm..
 
Das Problem fiel mir auf zahlreichen Schnappschüssen von SLR-Amateuren auf. Ihre Kamera hatte zwar auf eine Stelle exakt scharf eingestellt, aber schon dicht daneben befindliche Personen waren reichlich unscharf.
Beispiel



Freistellen auch mit kleinen Kameras?

Auch Kameras mit rel. kleinem Sensor habe bei Tele eine erstaunlich geringe Schärfentiefe. Und wenn  sie dann noch lichtstark sind (Blende 2,8), dann können sie etwa so gut freistellen, wie eine Systemkamera  mit 4/3 Sensor und Standard-Objektiv. Bei der Kamerawahl sollte man deshalb auf die tatsächliche (nicht die umgerechnete) maximale Brennweite und auf hohe Lichtstärke bei Tele achten.
Die Panasonic FZ200 z.B. hat bei Tele 108mm echte Brennweite (= 600mm) und Blende 2.8. Zum Vergleich: das Standard-Objektiv einer APS-Systemkamera hat bei "Tele" nur 56mm (= 88mm) und Blende 5,6.

Hier drei Beispiele aus dem Vietnam-Reisebericht von 2002 (Fuji 602 mit echten 46,8 mm).
 


Aber selbst mit einer Canon S100 (24-120mm) sind Fotos mit unscharfen Hintergrund möglich. Hier ein Foto in voller Größe, das mit nur 16mm (= 76mm) Brennweite aufgenommen wurde.

Für Fachleute:
Z.B.16 mm ergeben bei einer Digitalkamera eine erheblich geringere Schärfentiefe als man das von alten KB-Kameras mit einem solchen Brennweite gewohnt ist. Der Grund: Das Bild des kleinen Sensors muss sehr viel stärker vergrößert werden als das etwa 40x größere KB-Negativ. Der sog. Zerstreukreis-Durchmesser (wann wird ein Punkt noch als scharf wahrgenommen?) beträgt bei KB ca. 0,03 mm, bei Digitalkameras ca. 0,006 mm


Makro-Aufnahmen

Bei Makro-Aufnahmen beträgt die Schärfentiefe selbst bei Hemdentaschen-Kameras  nur noch wenige Millimeter!


Bildausschnitt

Dieses Bild wurde mit lachhaften 24mm (= 108mm)  "Tele" der Fuji F10 aufgenommen. Die rechte Flügelspitze ist schon außerhalb des Schärfebereichs!
Exakt die gleiche Schärfentiefe hätte ich übrigens auch, wenn ich das Foto mit Weitwinkel (und entsprechend kürzerem Abstand) aufgenommen hätte .... aber so dicht würde der Schmetterling mich nicht herkommen lassen. Solche Aufnahmen sind deshalb nur aus "sicherer" Entfernung möglich. Voraussetzung dazu ist, dass auch bei Tele auf rel. kurze Entfernungen eingestellt werden kann (ggf. mit "Makro").

2. Beispiel: Bei "SuperMakro" der Fuji 6500 muss man sehr dicht an sein Motiv herangehen und deshalb ist selbst bei 6,2mm (= 28mm) Brennweite die Schärfentiefe extrem gering →Bildbeispiel
Wäre dieses Motiv mit 300 mm Tele aus entspr. großer Entfernung aufgenommen worden, hätte es exakt die gleiche geringe Schärfentiefe aufgewiesen.


Superzoom-Kameras

Bezüglich Einfluss auf die Schärfentiefe bieten die "Superzoom-Kameras" mit großer ("echter") Tele-Brennweite sehr viel mehr Möglichkeiten als Mini-Kameras. Hier ein Beispiel, aufgenommen von einem meiner Leser am 4.8.06 mit einer Fuji S5600 und 63 mm "echter" Brennweite.

Besonders Kameras mit lichtstarkem Tele erlauben erstaunliches Freistellen → Beispiel
 


Portrait-Aufnahmen

Bei Portrait-Aufnahmen ist der Schärfebereich übrigens (bei gleicher Kamera) von der jeweils gewählten Brennweite unabhängig. Um die Person formatfüllend zu fotografieren muss ich bei Tele entsprechend weiter zurückgehen. 
Das nebenstehende Bild wurde mit einer Superzoom-Kamera und 300 mm Tele (echte 66,7 mm) aufgenommen und der Hintergrund ist außerhalb des Schärfebereichs und erfreulich unscharf. Hätte ich aber 90 mm Tele gewählt (und wäre entsprechend näher an meine Enkelin herangegangen), dann hätte ich bei gleicher Blende praktisch den gleichen "Freistell-Effekt" gehabt.
Theoretisch würde das sogar für 28 mm Weitwinkel (und eine entspr. kurze Entfernung) gelten, aber dann hätte ich eine perspektivische Verzerrung des Portraits gehabt .... und meine Enkelin hätte sich nicht mehr unbeobachtet gefühlt.

Eine lange Brennweite ist aber dennoch manchmal von Vorteil. Ein Portrait z.B. vor einer Bergkulisse wirkt deutlich besser, wenn es mit 300 mm Tele aufgenommen wird, als mit 90 mm. Auf dem ersten ist nämlich nur ein einziger Berg im Hintergrund zu sehen, beim zweiten die ganze Landschaft. Beide Hintergründe sind zwar etwa gleich unscharf, der zweite wirkt aber unruhiger.
 


Einfluss der Blende

Die Schärfentiefe hängt natürlich neben der Brennweite und der Motiv-Entfernung auch noch stark von der gewählten Blende ab. Will ich eine geringe Schärfentiefe haben, benötige ich dazu eine Kamera mit möglichst großer Blendenöffnung auch bei Tele. Bei Portraitaufnahmen (üblicherweise bei "umgerechnet" 90mm Brennweite) ermöglicht deshalb eine Kamera mit kleinem Sensor, falls sie bei 90 mm noch Blende 2,3 bietet, ein vergleichbares "Freistellen" wie "große"  Wechseloptik-Kamera mit APS-Sensor, deren Standard-Objektiv bei 90mm Tele nur noch Blende 5,6 bieten kann.
Wer das alles mal für seine Kamera durchrechnen lassen will, findet hier einen Schärfetiefen-Rechner.


Nachträgliches Freistellen

Eigentlich nur bei Nahaufnahmen von Einzelpersonen (Portraits) ist manchmal ein unscharfer Hintergrund wünschenswert. Hier ein Beispiel aus meinem Vietnam-Reisebericht. Dann kann man nachträglich am PC  (mit einigem Aufwand) den Hintergrund "entschärfen".


Mit der Maus über das Bild gehen! (Bei Android-Tablet: Abwechselnd auf das Bild und dann daneben tippen)
Sorry liebe iPad-Benutzer: Steve Jobs hat euch das Vergnügen nicht gegönnt.

Mit dieser Methode wird übrigens ein angenehmeres "Bokeh" erzeugt, als mit manchen Objektiven. Der Ausdruck "Bokeh" beschreibt, ob der Unschärfebereich z.B. durch kreisförmige Bilddetails unruhig wirkt, oder nicht. Das hängt von der Anzahl der Blenden-Lamellen ab. Je "runder" die Blendenöffnung, desto besser.

Nur mit einer KB-Sensor-Kamera und lichtstarker Optik wäre eine vergleichbare "Freistellung" evtl. erreichbar gewesen. Aber evtl. wäre dann auch nur der Kopf der Schlage scharf gewesen (weil er ca. 50 cm weiter vorne war) und mein Gesicht schon nicht mehr. Da hätte nur ein manueller Fokus oder fd geholfen. Letzteres ist aber nur bei Kameras ohne Spiegel möglich.
 


Vorteile großer Schärfentiefe

Wer eine einfache Digitalkamera hat, muss sich mit der großen Schärfentiefe "abfinden" .... oder sich darüber freuen. Vielfach ist sie ja auch ein Vorteil!
Nach Durchsicht meiner eigenen Fotosammlung muss ich nämlich feststellen, dass es nur sehr wenige Motive gab, wo ich gerne den Vordergrund oder Hintergrund unschärfer gehabt hätte. Im Gegenteil! Es gibt sicherlich mehr Bilder, bei denen ich über die große Schärfentiefe meiner kleinen Kamera froh war. Typisches Beispiel ist das bereits oben erwähnte Foto einer Personengruppe bei schwacher Beleuchtung. →Beispiel 

Ich erinnere mich noch deutlich an frühere KB-Zeiten, als ich ständig die "Schärfentiefe-Anzeige" benutzen musste, um die jeweils optimale Entfernungseinstellung und Mindest-Abblendung herauszufinden.

Der Vorteil der großen Schärfentiefe kleiner Kameras zeigt sich eindrucksvoll auch bei dem folgenden Bild (Fuji F10; 8 mm Brennweite). Bei konventionellen Großformat-Kameras benötigt man hier ein spezielles (kippbares) Objektiv, um auch den Vordergrund scharf abzubilden.


Auch bei bestimmten Nahaufnahmen  (eBay-Fotos), sind kleine Kameras eindeutig im Vorteil gegenüber Systemkameras mit KB-Sensor.
 



Schnappschuss-Entfernung

Bei Kameras mit manueller Entfernungseinstellung bieten manchmal eine sog. "Schnappschuss-Entfernung".  Das sind ca. 3 Meter. Dadurch sind die meisten Fotomotive im Schärfebereich.
Manche Digitalkameras stellen sich automatisch auf diese Entfernung ein (z.B. im Modus "Schnappschuss") bzw. sie kann auf Knopfdruck vorgegeben werden. Das erspart die manchmal sehr lange Fokussierzeit, sodass spontane Schnappschüsse leichter gelingen.

Nicht verwechselt werden darf das mit der sog. Hyperfokaldistanz. Darunter versteht man die Entfernung, die man einstellen muss, damit bei der betr. Brennweite und der gewählten Blende die Schärfentiefe gerade noch bis Unendlich reicht. Bei Kameras mit Tiefenschärfen-Skala stellt man dazu einfach das Unendlichkeitssymbol () auf die Markierung der verwendeten Blende.
Viele Digitalkameras wählen diese Entfernung im Modus "Landschaft".
Alle diese Einstellungen ergeben allerdings nur eine grenzwertige Schärfe des Gesamtmotivs. Bei vielen Aufnahmen ist eine hohe Schärfe des Hauptmotivs aber viel wichtiger.

 





Die große Schärfentiefe bei kleinen Digitalkameras erklärt auch die bei manchen Blitzfotos auftauchenden halbdurchsichtigen Leucht-Erscheinungen. Ursache sind die vom Blitz angestrahlten Staubpartikel dicht vor dem Objektiv. Bei Kameras mit großem KB-Sensor (= längere Standard-Brennweite) sind sie außerhalb des Schärfebereichs und deshalb unsichtbar.

 

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